Singen im Chor

"Herzschlag ist der Takt“, sang einst die Band Münchener Freiheit. Oft bestimmt der Takt auch den Herzschlag. Yogi wissen das. Sie können die Tätigkeit ihres Herzens an äußere Rhythmen anpassen. Dass dies auch kollektiv – und unbewusst – erfolgen kann, haben jetzt schwedische Forscher der Sahlgrenska Academy der Universität Göteborg herausgefunden.

Sie ließen 15 Jugendliche im Chor Lieder verschiedener Art singen. Dabei stellten sie durch Messungen fest, dass sich deren Herzen dem Programm anpassten und irgendwann im gleichen Takt schlugen. Der Forscher Björn Vickhoff, selbst Sänger und Songschreiber, erklärt dies so, dass das Ausatmen den Vagusnerv im Gehirn aktiviere. Die Herzfrequenz sinke. Beim Einatmen steige der Puls wieder an. Singen führe dazu, dass man gleichmäßig und ruhig atme. Das wirke wie Yoga.

Die schwedischen Forscher, die über ihre Studie im Fachblatt Frontiers in Neuroscience berichten, suchen bereits seit langem nach Wegen, Musik in der Medizin einzusetzen. Es sei, als habe der Körper seine eigene Partitur, in der jede Musik die passende physiologische Reaktion auslöse, erklärte Björn Vickhoff. Musik könnte zur Beruhigung vor Operationen, zur Schmerzlinderung oder zur Stimulierung von Parkinson-Patienten eingesetzt werden.

 

Bereits frühere Studien ergaben, dass Musik die Tätigkeit der Gehirnwellen verändert. Als hätten die Komponisten um die körperliche Wirkung gewusst, besäßen langsame Sätze der Musik von Bach oder Vivaldi einen vertrauten Herz-Rhythmus von sechzig Schlägen pro Minute, sagen Forscher. Psychologen stellten fest, dass ein Metronom, das in diesem Tempo tickt, auch die allgemeine Aufnahmefähigkeit verbessert – somit das Lernen.

Gemeinsames Singen scheint zugleich so etwas wie eine Gruppentherapie zu sein. Es synchronisiere die Bewegungen der Muskeln und die Nervenaktivität, sagte Björn Vickhoff. Viele ahnen diesen wohltuenden Effekt zumindest. In Deutschland gibt es zur Zeit 27.000 Chöre mit einer dreiviertel Million Sängern, darunter viele junge Chöre, die Gospel, Swing oder bearbeitete Rocksongs singen. Das große Weihnachtssingen beim Fußballclub Union füllt jährlich ein ganzes Stadion mit Familien.

Nur in der Schule wird kaum noch gesungen. Musiktheorie und -geschichte füllen die Stunden aus. Mühsam wirken außerschulische Projekte der Scheu vor dem gemeinsamen Lied entgegen. Dabei könnte sich das Chorsingen auf vieles positiv auswirken. Die schwedischen Forscher wollen jetzt untersuchen, inwieweit es etwa die Fähigkeit zur allgemeinen Kooperation stärkt.

 

 

– Quelle: http://www.berliner-zeitung.de/3055320 ©2017